6-Shogaol ist eine Substanz, die aus der Ingwerpflanze gewonnen wird. Sie ist benannt nach dem japanischen Wort für Ingwer Shoga. Das Rhizom, also die Knolle der Ingwerpflanze wird schon seit Jahrtausenden vor allem in Ostasien als Gewürz- und Arzneipflanze verwendet. Dessen Inhaltsstoffe wirken gegen Viren und Bakterien, regen den Gallenfluss an und haben Effekte gegen Übelkeit und Erbrechen. Ein besonderer Einsatz in der komplementären Onkologie hat der Ingwer bei der chemotherapiebedingten Übelkeit als Tee oder Tabletten.
Ingwer enthält so genannte Scharfstoffe, das sind Substanzen, die die Schmerz- und Wärmerezeptoren der Schleimhäute in Mund-, Nasen- und Rachenraum reizen. Eine dieser Substanzgruppen sind die Shogaole, die in den letzten Jahren in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses geraten sind. Während das 6-Shogaol in der frischen Knolle in geringen Mengen vorkommt, steigt der Gehalt beim Trocken und durch Erhitzen.
6-Shogaol scheint aus verschiedenen Gründen eine Wirkung gegen Krebs zu haben. Schon seit langem ist bekannt, dass Tumorzellen vermehrt Glukose, d.h. Traubenzucker verstoffwechseln. Das liegt zu einem daran, dass der Zucker in der Krebszelle nicht vollständig, sondern nur bis zur Milchsäure abgebaut wird. Dieser Vorgang, den man Gärung nennt, liefert sechzehnmal weniger Energie, als der vollständige Abbau, der als Verbrennung bezeichnet wird. Außerdem gibt es zusätzliche Stoffwechselwege der Krebszellen, wie den TKTL-1-Weg, der vermehrt Glukose benötigt. 6-Shogaol hemmt die Aufnahme von Glukose in die Tumorzelle und setzt sie zusätzlich durch Bildung von ROS unter Stress[1]. ROS sind reaktive Sauerstoffverbindungen, bei denen abgespaltene Sauerstoffatome Zellstrukturen angreift und so Bakterien, Viren, aber auch Tumorzellen zerstört. Und das Erstaunliche ist: 6-Shogaol zeigt diesen Effekt nur bei Krebszellen, nicht bei gesunden!
Ein weiterer Vorgang, der für Krebszellen typisch ist, ist die Bildung von Entzündungsbotenstoffen. Durch diese simuliert das Krebsgewebe, es sei eine nicht heilende Wunde und manipuliert das Immunsystem, es durch Versorgung mit Nährstoffen und Aufbau von Blutgefäßen zu unterstützen. 6-Shogaol hemmt die Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen aus den Krebszellen. Dazu gehört z.B. TNF-alpha, Il-1β, Il-6 und der von dem kanadischen Wissenschaftler Servan-Schreiber als schwarzer Ritter des Krebses bezeichnete Transkriptionsfaktor NFκB[2]. Durch die Hemmung der Entzündung fällt es dem Immunsystem leichter, das Krebsgewebe als solches zu erkennen und anzugreifen. Ein Unterschied zwischen gesunden Zellen und Krebszellen ist, dass letztere nicht in der Lage sind, nach einer definierten Zeit, programmiert abzusterben. Das wird als Apoptose bezeichnet. Krebszellen sind nahezu unsterblich. Auch die Fähigkeit, des gesunden Gewebes, sich zu reinigen und zu erneuern, was als Autophagie bezeichnet wird, fehlt dem Krebsgewebe. Auch hier kann das 6-Shogaol ansetzen. Es stimuliert Tumorzellen zur Autophagie und zur Apoptose und treibt sie somit in den programmierten Zelltod[3]. Aber auch die so genannten Tumorstammzellen werden durch 6-Shogaol angegriffen. Sie sind eines der Hauptprobleme in der Onkologie. Da Zytostatika nur sich teilende Zellen angreifen und sich Tumorstammzellen sehr langsam teilen, sind sie dadurch unangreifbar. Erfreulicherweise gibt es bei den Natursubstanzen eine Fülle, die Stammzellen vernichten können. Neben dem 6-Shogaol ist es Curcumin, Resveratrol, EGCG aus dem grünen Tee, Sulphoraphan und Indol-3-Carbinole, die beide u.a. im Brokkoli vorkommen. [1]
Doch wie sieht es aus, wenn man 6-Shogaol mit Chemotherapeutika kombiniert? Die Sorge vieler Onkologen ist ja, dass es durch Natursubstanzen zur deren Abschwächung kommt. Auch hier konnten Untersuchungen zeigen, dass 6-Shogaol so wie Curcumin Zytostatika in ihrer Wirkung verstärkt[2].
Eine weitere Ähnlichkeit zu Curcumin zeigt sich in der schlechten, oralen Verfügbarkeit aufgrund Unmöglichkeit in Wasser. Forschungen zeigen auch hier, dass eine liposomale Zubereitung die Aufnahme verbessern hilft[3]. Liposomen sind Moleküle, die eine wasserlösliche und eine wasserabstoßende Seite haben und die sich in Tröpfchenform gruppieren. In diese Tröpfchen lassen sich nun fettlösliche Substanzen einschließen und besser durch den Darm über das Blut- und Lymphsystem in das Gewebe transportieren. Um dieses Problem zu umgehen, gibt es seit einiger Zeit die Möglichkeit, 6-Shogaol als Infusion einzusetzen.
Auffallend ist die Ähnlichkeit im Wirkmechanismus und dem chemischen Verhalten von 6-Shogaol und Curcumin. Das ist allerdings kein Zufall. Beide Moleküle gleichen sich sehr. Tatsächlich sieht 6-Shogaol wie eine in der Mitte geteiltes Curcuminmolekül aus.
Bisher gibt es zu 6-Shogaol nur Zell- und Tierversuche, aber keine Studien am Menschen. Die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen aber vermuten, dass es sich um ein wichtiges Krebsmedikament handeln könnte.
[1] Romero-Arias AC, Sequeda-Castañeda LG, Aristizábal-Pachón AF, Morales L. Effect of 6-Shogaol on the Glucose Uptake and Survival of HT1080 Fibrosarcoma Cells. Pharmaceuticals (Basel). 2019 Sep 9;12(3):131. doi: 10.3390/ph12030131. PMID: 31505728; PMCID: PMC6789756.
[2] Han Q, Yuan Q, Meng X, Huo J, Bao Y, Xie G. 6-Shogaol attenuates LPS-induced inflammation in BV2 microglia cells by activating PPAR-γ. Oncotarget. 2017 Jun 27;8(26):42001-42006. doi: 10.18632/oncotarget.16719. Erratum in: Oncotarget. 2018 Jun 8;9(44):27585. PMID: 28410218; PMCID: PMC5522044.
[3] Li TY, Chiang BH. 6-shogaol induces autophagic cell death then triggered apoptosis in colorectal adenocarcinoma HT-29 cells. Biomed Pharmacother. 2017 Sep;93:208-217. doi: 10.1016/j.biopha.2017.06.038. Epub 2017 Jun 20. PMID: 28641163.
[4] Dandawate PR, Subramaniam D, Jensen RA, Anant S. Targeting cancer stem cells and signaling pathways by phytochemicals: Novel approach for breast cancer therapy. Semin Cancer Biol. 2016 Oct;40-41:192-208. doi: 10.1016/j.semcancer.2016.09.001. Epub 2016 Sep 5. PMID: 27609747; PMCID: PMC5565737.
[5] Woźniak M, Makuch S, Winograd K, Wiśniewski J, Ziółkowski P, Agrawal S. 6-Shogaol enhances the anticancer effect of 5-fluorouracil, oxaliplatin, and irinotecan via increase of apoptosis and autophagy in colon cancer cells in hypoxic/aglycemic conditions. BMC Complement Med Ther. 2020 May 11;20(1):141. doi: 10.1186/s12906-020-02913-8. PMID: 32393373; PMCID: PMC7216385.
[6] Wang Q, Yang Q, Cao X, Wei Q, Firempong CK, Guo M, Shi F, Xu X, Deng W, Yu J. Enhanced oral bioavailability and anti-gout activity of [6]-shogaol-loaded solid lipid nanoparticles. Int J Pharm. 2018 Oct 25;550(1-2):24-34. doi: 10.1016/j.ijpharm.2018.08.028. Epub 2018 Aug 17. PMID: 30125653.